Und ich war. Und ich bin. Und ich werde.
2024/01/01
Und ich war. Und ich bin. Und ich werde.
2024/01/01
Der Regen trommelt auf dem Dach, war heute Nacht erst Schnee, dann Graupel und schließlich das. Längst brauche ich zum Unterscheiden keinen Blick nach draußen mehr riskieren, erkenne es instinktiv allein am Geräusch. Weil es zum Schlafen noch zu früh ist, ich nicht müde bin, doch auch längst kein Licht mehr ist, gehe ich manche meiner früheren Zeilen durch, freue mich am Erinnern oder redigiere die eine oder andere Stelle in der Hoffnung, einer Vollendung etwas näher zu kommen.
Es liegt mir fern, auf mein Leben stolz zu sein, doch dass ich, wenn ich an das Schreiben denke, nichtsdestotrotz etwas empfinde, das dem nicht allzu fern ist, steht fest. Dass ich das Leben nahm, mein Leben, und dass ich es, gleich dass mir niemand nahe stand oder gerade weil mir niemand nahe stand, in diese Worte wandelte, die mich nicht …
Gestern Nacht, eigentlich erst am Abend, doch mit kurz nach 8 Uhr bereits dunkel, gab es sich, dass ich die Milchstraße direkt und in aller Schönheit über mir hatte. Imposant, vielleicht umso mehr, weil es kalt war und nichts weiter zwischen uns stand – einmal abgesehen der ich weiß nicht wie vielen Millionen Kilometer und Jahre. Noch wenige Stunden zuvor, die Sonne gerade hinter einem der angrenzenden Berge verschwunden, stapfte ich im wüsten Geröll am Bergsee umher, suchte nach möglichen Blickwinkeln für etwaige spätere Aufnahmen. Weil es jetzt rasch kalt wurde, streifte ich mir eiligst eine Jogginghose über die Shorts bis über den Bund hinauf, stopfte noch dazu meinen Pullover hinein. Ich lachte, keiner konnte meinen Aufzug hier sehen, doch es erinnerte mich daran, wie Marie und ich manchmal, gleich des damals so häufigen Novembernieselregens, spät in der Nacht noch …
Auch die guten Seiten eines einsamen Lebens bleiben eben genau das – einsam. Ich meine, Du hast doch wohl nicht etwa Beifall erwartet, oder?
Wenn ich in diesem Jahr einen Fehler gemacht habe, dann vielleicht, dass ich das Reisen zu sehr ruhen ließ, insbesondere nicht in den Norden aufgebrochen war. Auch wenn ich im vergangenen Herbst von fast endlosem Regen und Stürmen verfolgt und scheinbar oft am Ende meiner Kräfte war – den Sturmwind wieder und wieder in der Abgeschiedenheit kalt in meinem Gesicht zu spüren, fehlt mir jetzt auf einmal viel zu sehr. Und wenn ich währenddessen eine vertraute Seele zum Briefeschreiben gefunden hätte – wer weiß, vielleicht wäre ich zu Worten in der Lage gewesen, vor denen ich mich heute verneigen könnte. Doch, davon abgesehen, hätte ich wohl kaum etwas anders machen wollen.
2023/09/21
Heute ist es auf den Tag genau ein Jahr seit „Sieh mal, es hat sogar Sterne“. Ich fürchte, ich hatte damals falsch gelegen. Vielleicht gibt es sie tatsächlich, Nächte voller Verheißung, doch über uns schienen keine Sterne. Über uns war es schwarz.
2023/08/24
Ist Dir das nie seltsam vorgekommen, dass das Leben so arm an wirklichen Begegnungen ist?
Weißt Du noch wie es war, als wir uns kennenlernten und dachten es läge etwas ganz ganz Großes vor uns? Nur dass wir es eigentlich gar nicht gedacht, sondern gefühlt hatten. Und als wir dann dachten, am Tag darauf, merkten wir plötzlich, wie falsch wir gelegen hatten; und außer Schall und Rauch blieb uns nichts. Die Scham und das betretene Schweigen habe ich nicht vergessen. Nie. Dann habe ich mir fest vorgenommen, erst zu denken und dann zu fühlen. Weil: Gefühle kommen und gehen, doch nur Gedanken sind es, die auch bleiben. Aber wenn ich dann tatsächlich einmal über mich und die anderen nachgedacht hatte, gab es gar kein Zusammensein mehr, war doch noch keine Begegnung je über meine Gedanken hinausgekommen.
2023/05/30
Fünf Jahre. Heute sind es fünf Jahre Einsamkeit.
2023/04/22
(Wie hast Du ihn verbracht, diesen Tag? Genau so, wie all die anderen Tage auch.)
Ist es möglich ein ganzes Leben gelebt zu haben, ohne je gemocht worden zu sein?
Irgendwann wachst Du auf und merkst, dass von Deinem früheren Leben niemand mehr übriggeblieben ist. Du bist nicht fünfundsechzig, sondern fünfundzwanzig oder kaum dreißig Jahre alt. Wer da einst war, ist nicht verstorben, sondern einfach nur fort; doch das Ergebnis ist das gleiche – mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass sie nicht von einer bösen Macht aus Deinem Leben gerissen wurden, sondern aus freien Stücken aufgebrochen waren. Wenn Du zum privilegierten Teil gehörst, ist all das unerheblich, denn Dein Weg wird mal von diesem oder jenem Menschen gesäumt sein; wenn nicht, hast Du Pech und wirst auch mit fünfundsechzig Jahren kein anderes Fazit ziehen können: Du warst alleine. Und weißt Du was das Schlimmste daran ist? All das wird immer zwischen Dir und Deinen …
Wir schrieben einander, bis wir uns kannten; und als wir es taten, bis wir uns neuerfanden. Dann, als wir beide und ein jeder für sich zu einem anderen geworden war, noch ein letztes Mal, auf dass wir uns wieder verloren. Dann aber haben wir geschwiegen.
Als wir uns kennenlernten, galt, ganz ohne, dass wir es je besprochen hätten, ein munteres Hin und Her aus Fragen und Antworten zwischen uns, gleich einem Spielball, den wir uns solange zuwerfen würden, bis alles über uns gesagt und alles erfahren wäre. Wenn ich am Abend zu Bett ging, hallte in mir nach, was ich zuletzt gelesen und beantwortet hatte; und ich schlief mit der Gewissheit ein, dass ich am kommenden Morgen, wenn ich aufstehen und mich müde zur Uni schleppen würde, schon eine neue Nachricht zu all meinen Fragen vorfände. Wenn es dann früh …
Was ließ mich glauben, dass wir uns ein Leben lang kennen würden, wenn es uns doch nicht einmal von der einen in die andere Jahreszeit zu tragen vermochte?
2023/01/27