Wir schrieben einander, bis wir uns kannten; und als wir es taten, bis wir uns neuerfanden. Dann, als wir beide und ein jeder für sich zu einem anderen geworden war, noch ein letztes Mal, auf dass wir uns wieder verloren. Dann aber haben wir geschwiegen.
Als wir uns kennenlernten, galt, ganz ohne, dass wir es je besprochen hätten, ein munteres Hin und Her aus Fragen und Antworten zwischen uns, gleich einem Spielball, den wir uns solange zuwerfen würden, bis alles über uns gesagt und alles erfahren wäre. Wenn ich am Abend zu Bett ging, hallte in mir nach, was ich zuletzt gelesen und beantwortet hatte; und ich schlief mit der Gewissheit ein, dass ich am kommenden Morgen, wenn ich aufstehen und mich müde zur Uni schleppen würde, schon eine neue Nachricht zu all meinen Fragen vorfände. Wenn es dann früh am Morgen war, beeilte ich mich, kochte nur rasch Kaffee in der Küche, und setzte mich irgendwo zwischen Tür und Angel nieder, um Deine Antwort zu lesen. Zwar hätte sie es verdient in Ruhe und voller Achtsamkeit gelesen zu werden, doch wollte ich auf keinen Fall ohne sie aus dem Haus gehen, konnte ich mir doch sicher sein, dass mich die geteilten Worte und Gedanken begleiten und nicht selten auch durch den sonst viel zu grauen Tag hinwegretten würden. Es blieb mir ein Rätsel, was es war, das Du an mir zu finden glaubtest, doch gab mir unser Hin und Her den roten Faden, der mich trug. Ich stellte alle Fragen nur diese nicht, fürchtete ich doch die Antwort viel zu sehr.
Aber, es ist lange still geworden zwischen Dir und mir. Ich hoffe wohl, dass nicht die Zeit Dir Dein Schreiben zu stehlen vermochte, sondern nur ich es bin, der nicht länger Dein Interesse zu wecken vermag. Es bliebe zwar nicht weniger schmerzlich, doch gleichermaßen der einzige Grund unser Schweigen zu akzeptieren. Vielleicht ist es auch das, was mir heute am allermeisten fehlt. Nach einer Heimkehr, gleich ob von einer langen Reise oder einem Spaziergang kommend, eine Nachricht vorzufinden. Doch fürchte ich vom Leben immerhin genug zu verstehen, dass wir nicht alle nur mit Worten zu empfinden vermögen.
2023/03/03