Verflucht, ist das einsam hier.
2024/07/20
Hättest Du gedacht, dass es so sein würde? Gedacht schon, doch nicht geglaubt. Macht das denn einen Unterschied für Dich? Den einzigen Unterschied, den es gibt.
Hochsommer, und ich darin knapp hundert Kilometer in der Heimat unterweg, Altbekanntes wie vielleicht hier und da auch Neues entdecken. Tatsächlich stand ich nach gut zwanzig Jahren an einem Ort, von dem ich Kindheitserinnerungen habe. Alles scheint dort unverändert, die Erinnerung an einen Tag im Herbst seinerzeit glasklar. Feststeht: auch in zwanzig Jahren, bin ich kein einziges Mal mit einem anderen hier gewesen; aber das war ich ohnehin nie irgendwo. Aber was sind schon zwanzig Jahre, wenn alles nur vor Dir selbst geschieht?
2024/07/19
Nicht länger frühlingshaft ist’s, eigentlich ja kurzzeitig sogar schon frühsommergleich, sondern über Nacht ein Temperatursturz; und damit nun acht, statt mehr als fünfundzwanzig Grad. Immerhin, viel unterwegs bin ich gewesen an diesen Tagen, die mich erinnerten an den April vor sechs Jahren. Dutzende Kilometer, mit dem Rad, zwar meist zügig, doch trotzdem etwas gesehen, wenn auch keine Menschen, sondern Natur und Landschaft. Irgendwann am Abend dann der erste kühle Wind; und ich fühlte mich erinnert, wusste nicht genau woran, doch wohl an irgendeine unglückliche Zeit einmal.
2024/04/09
Februarhimmel; oder wohl eher Himmelsfarben. Und jetzt stell‘ Dir einfach vor, dass es für immer so bliebe. Und jetzt stell‘ Dir einfach vor, dass es das Werk einer verlorenen Seele wäre. Den Blick – zum Fenster hinaus. Dahinter, wie darin – Musik.
Schöne Idee eigentlich, dass wir uns mal wieder einen Sonnenuntergang zusammen ansehen, oder? Zur selben Uhrzeit, doch Du in Deiner, ich in meiner Stadt. Müssen uns nur überlegen, ob wir den zeitlichen Versatz ausgleichen wollen. Mein Vorschlag zur musikalischen Untermalung, sozusagen als Mixtape und Soundtrack, wäre zu Beginn Wake Up (ft. Lotte Kestner) von Moow. Vielleicht gerade für den Augenblick, wenn wir beide das Haus verlassen, uns auf Straßen und in den Bahnen zwischen den Passanten hindurchbewegen, immer das Ziel vor Augen, bis es dann, endlich im Park und am Fluss angelangt, ruhiger wird. Dann wäre vielleicht …
Kannst Du Dir vorstellen, an einen neuen Ort zu ziehen, dort für einige Wochen zu leben, fern jedes Bekannten, früherer wie neu gefundener,- und dann wieder davongehst, so als wäre genau das, was Leben für Dich bedeutet? Dass Du wanderst, lebst und verlässt,- doch nur als ein Geist. Kannst Du?
Gestern noch war ich für Stunden in Schnee und Kälte unterwegs, kehrte erst heim, wie ich kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte, schon selbst fast zu Eis geworden war. Die Temperatur schwankte, doch blieb sie deutlich unter Null. Das ist, wie ich den Winter mag. Wenn ich spüren kann, dass es Winter ist. Wenn sie Stück für Stück in mich hineingeht, die Kälte der Tage. Nie ist es kälter gewesen als das, was zwischen Menschen war. Doch heute dann, nur wenige Stunden später, schmilzt und regnet es. …
Heute Morgen habe ich seit längerem mal wieder das Leben so richtig gefeiert. Bitterkalt draußen, das Auto Schicht für Schicht von Schnee und Eis befreit, angeworfen, losgefahren. Winterlandschaft, die Sonne kommt raus. Ich drehe die Musik auf, Musik, die ich erst kürzlich neu entdeckte. Eines dieser Lieder, die man am liebsten immer weiter und weiter aufdrehen würde, weil, egal wie stark es ist, – es müsste immer lauter und lauter werden. Also gelächelt; und meinen Hut gezogen vor dieser Legende. Schließlich, bei meiner Ankunft, durch den verschneiten Winterwald gewandert, jetzt in der Stille, und damit ein für mich neues Gebiet erkundet, hinauf auf einen Berg und einen eisernen Aussichtsturm. Außer mir, auf mehreren Kilometern, niemand zu sehen. Freitagmorgen.
2024/01/19
Heute morgen war ich, passend zum Sonnenaufgang, auf einer größeren Wanderung. Die Temperatur lag endlich deutlich unter Null Grad, nahezu zehn Grad darunter sogar. Also, anfangs noch im Schatten, über die Felder, im Rücken das Dorf, dann am Bach entlang und schließlich im Wald den Berg hinauf. Dort, das warme Morgenlicht. Und weißt Du was? Weiter oben habe ich fünfzehn Wildschweine gesehen. Fünfzehn. Das ist mir noch nie passiert. Ich hörte es rascheln, sah um die Ecke, blieb still stehen und begann zu zählen, wie eines nacheinander über den Weg sprang und dann weiter den Berg hinauf. Fünfzehn auf einen Schlag. Ich musste lachen, wie sie dann schließlich verschwunden waren, auch keines mehr nachzukommen schien; und hätte sie zu gerne alle auf einem Fleck gesehen. Und auch wenn’s schön ist hier, vor allem jetzt mit der Kälte und dem Sonnenschein, …
Tage, die so einsam sind, als hätte ich in wenigen Stunden ein Leben verlebt.
Draußen ist es scheußlich heute. Stürmisch, nicht kalt genug für einen anständigen Winter und noch dazu beständiger Nieselregel. Einer dieser Tage, an denen ich Listen beginne. Gute Listen über Reisen, die plane; und unangenehme Listen mit Dingen, die ich nicht erledigen müsste, sondern muss, doch die, selbst wenn es eigentlich nichts weiter wie vermeintliche Kleinigkeiten sind, wie Berge unbezwingbar vor mir aufragen. Tatsächlich ist es längst wahrscheinlicher, dass ich einen weiteren Berg besteigen werde als dass ich in absehbarer Zeit auch nur einer dieser alltäglichen Erledigungen gerecht werden würde. Wahrscheinlich ist das der Fluch, wenn man sich gerade so über Wasser hält und einem nichts eines gewöhnlichen Lebens so recht gelingen mag. Immerhin, das Gefühl von Ordnung besänftigt ein wenig.
2024/01/02
Früh am Morgen, kaum ist’s hell, die Luft ebenso kalt wie nebelig, auf eine Laufrunde. Nicht länger etwas über acht, sondern nunmehr knapp elf Kilometer. Zuhause ankommen, verschnaufen, in Ruhe frühstücken, später am Haus werkeln, zu Mittag essen. Dann, am Nachmittag, auf einen Kaffee und etwas zu vespern alleine unter grauem Himmel sitzen. Samstag, Teil eines Erwachsenenwochenendes. Nicht mehr als das. Und wie ich für einen Moment doch durch andere hindurchgehe, frage ich mich, wann das angefangen hat, dass ich aufgehört habe, Sehnsucht zu verspüren. Dass ich mich als Insel begreife, wie ich mich rasch und zielgerichtet bewege, immer bedacht den größtmöglichen Abstand zu wahren, ihnen nicht (und auch sonst niemandem) zu nahe kommen zu müssen. Es ist nicht alles wie vor fünf Jahren, denn ich glaube, dass je größer die Distanz zu anderen geworden ist, desto näher bin ich …
Heute Morgen, nicht zu warm, nicht zu kalt, galt es meinen Wagen aus der Werkstätte abzuholen. Mit dem Tal dazwischen, dem obligatorischen Rauf-und-Runter, sind es knapp 11 Kilometer; und damit kaum länger als meine sonst üblichen Streifzüge. Nach kurzer Überlegung, entschied ich eine Laufrunde daraus zu machen. Der Anstieg ging mir besser von der Hand als gedacht; die letzten Kilometer auf einer praktisch nicht befahrenen Landstraße waren dann tatsächlich sogar recht schön. Knapp über eine Stunde habe ich gebraucht, war bei meiner Ankunft weit weniger außer Atem, als ich befürchtet hatte. Wahrscheinlich macht es Sinn, dass ich einen Beruf habe, bei dem es sich auszahlt fit zu bleiben (wenn auch fern jedes offenen Wettkampfes; aber der gegen mich selbst, liegt mir ohnehin mehr). Ich muss sagen: er tut gut, der Sport. Wer einsam ist, weiß wahrscheinlich ohnehin, wie wichtig das …