Und am Ende denkst Du noch, die ganze Welt sei so. Und weißt Du was? Sie ist.
2023/07/11
Und am Ende denkst Du noch, die ganze Welt sei so. Und weißt Du was? Sie ist.
2023/07/11
Sein Leben leben,
als wäre man
ganz alleine
auf der Welt
gewesen.
2022/06/26
Kennst Du das Gefühl, gerade wieder einmal an einem der ungelebten Leben vorübergekommen zu sein? Alle paar Monate geht es mir so, meist, wenn ich in der Ferne bin und unterwegs jemanden sehe. Vielleicht, wie jüngst, im Abendlicht zwischen verstreuten Höfen an der Küste entlangspazierend. Ich unterscheide zwischen jung und alt, doch weiß ich nicht, wo ich die Grenze ziehe, noch nach welchem Muster ich dabei vorgehe, wenn es denn ein solches überhaupt gibt. Zu wenige Menschen kenne ich, als dass ich daraus mit Sicherheit schließen könnte, wie aussieht, wer so und so alt ist; noch am wenigsten, wer meines eigenen Alters sein dürfte. Vielleicht kein Wunder, habe ich doch wieder einmal in Wochen kein rechtes Gespräch geführt. Und sicher, in jenem Moment dachte ich mir, ich hätte, wäre ich nur ein wenig jünger gewesen, wer weiß was dafür gegeben, …
Ich kann wieder Worte formen, doch im Stillen, scheine ich noch nicht so weit, sie auch auszusprechen; und mein Schweigen mit einem Ruck zu durchbrechen. Es ist eines, das ich nicht als solches empfinde, gibt es doch schlicht und einfach noch nichts zu sagen.
Ich habe wieder jemanden zum Briefe schreiben. Ein Film, ein Lied oder ein Gedanke, vielleicht auch etwas, das ich von und über meinen Empfänger erfahren möchte, dazwischen vereinzelt aufgefüllt mit dem, was mir tagtäglich geschieht, unterwegs wie ich bin. Ich weiß nicht, ob das die Art und Weise ist, wie Briefe für gewöhnlich zu schreiben sind, doch tue ich es; und gebe sie bei Gelegenheit in fernen Städten auf, deren Namen ich nicht kenne. Möge der Brief den weiten Weg unbeschadet überstehen, sage ich mir, bestenfalls ein wenig schneller, als ich selbst es vermag, der …
Nichts, das wir verlassen, wird uns aus einem anderen Grund fehlen, als der Erinnerung an uns selbst, der Sehnsucht nach dem Ich an einem anderen Ort, der scheinbar dagewesenen Möglichkeit, sich dort als ein Anderer gefühlt zu haben.
Noch während ich reise – einige Wochen hinter mir, wenige weitere vor mir – verspüre ich die Gewissheit, dass ich all das vermissen werde. An einzelnen Orten, an denen ich mich zuhause fühle, auf langen Nachtfahrten zwischen dem einen und anderen, lasse ich Teile von mir zurück. Ein Tausch, der mit Erinnerungen einhergeht, so als könnte Neues immer nur dann geschehen, wenn ich selbst etwas von mir gebe; als würden, einem Buch gleich, Worte in mich hineingeschrieben, doch ich Seite für Seite auch ein paar meiner eigenen verlieren. Später einmal werde ich sie spüren, diese seltsamen Lücken und Leere, und meinen Verlust …
Melancholie sei das widersprüchliche Empfinden, ein anderes Leben zu verspüren, habe ich einmal gelesen; und fürchte gerade weil dahinstehen kann, um welch eines es sich handeln könnte, wenn nicht eines der Längstzurückgelassenen; oder gar der diffusesten – den unzähligen Niedagewesenen.
Unverrichteter Dinge breche ich auf, lasse diesen Ort der vergangenen Tage zurück, denn auch bis zuletzt hatte sich kein so rechter Sonnenuntergang ereignen wollen, gleich wie sehr ich gehofft hatte, die Wolken mögen sich für einen Moment auftun, abendlicher Sonnenschein ließe die Felsen, die Kronen der Wellen, ja überhaupt den bislang allzu tristen Himmel aufleuchten. Nur vage hatte ich es vor Augen, doch bestimmt genug, um länger zu bleiben; und es als Wirkliches auf ein Bild bannen zu wollen. Es blieb, wie so oft, ein Wunsch; und ich bin wieder unterwegs, weiter an der Küste entlang in Richtung Westen. Melancholie …
Der Mensch ist nicht dafür gemacht, jeden seiner Schritte bewusst zu gehen, dachte ich mir heute in der Früh, wie ich, noch im Dunkeln und mit einer Taschenlampe in der Hand, etwas mühsam an der Küste entlang marschierte. Kein Strand, zumindest nicht im klassischen Sinne und aus Sand, sondern die Bucht mit Felsen gefüllt, kleinen wie großen, auf und zwischen denen ich mir einen Weg suchte, mein Vorankommen zwar einigermaßen flüssig vonstattenging, doch eben nicht beiläufig. Vielleicht ist es mit den Tagen, und überhaupt der Zeit im Allgemeinen, ebenso. Ein Leben zu leben, scheint gerade so machbar; doch jede Sekunde davon, unmöglich.
2024/03/07
Regen, so viel davon, dass selbst das Meer nicht länger salzig schmeckte, wir ungläubig unsere Zungen damit benetzten und doch nichts darin fanden, das uns hätte trösten oder bekannt vorkommen können. Beschämt spuckten wir es aus, den Sand und die faden Algen, fühlten uns beraubt und betrogen. Dann, von einem auf den anderen Tag, war der Regen, der tausenden Kieselsteinen gleich unaufhörlich auf uns eindrosch, das Salz unserer Tage. Klammheimlich hatte sich alles umgedreht, war das Meer zum Himmel geworden. Ich wollte erst lachen, aus Verwirrung und Verzweiflung, doch spürte ich die Last, spürte dass es nur wenig bräuchte, dass dort oben über unseren Köpfen etwas riss und alles auf uns hinunter fallen, uns erdrücken oder zumindest fortreißen würde.
Und ich dachte daran, wie Du einst gefragt hattest, was mich so sicher mache, dass heute ein anderer Tag als gestern …
Ich habe manchmal das Gefühl, ich müsste ein anderes Leben leben; doch habe ich keinen Schimmer, was für eines das sein, noch wo es lauern könnte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es erkennen würde, läge es eines Tages vor mir. Vielleicht ist das, seit ich einmal davon gelesen habe, nebenan wäre stets eines, das man ebensogut hätte leben können.
Es dämmerte kaum, doch noch immer rannten die Wellen unaufhörlich, beinahe schon wütend gegen die Küste an. Für einen Moment griff plötzlich eine davon weiter als gedacht, brach ebenso tosend wie furchtlos gegen den Fels, durchnässte mich mit einem einzigen Schwall bis auf die Haut. Schäumend und in Windeseile floß das Wasser ab, suchte sich im wirren Netz der Felsen gekonnt, fast wie von unsichtbarer Hand gelenkt, tausende Wege zurück zu seinem Ursprung. Ich fragte mich: wenn ich …
Ist es Dir je so ergangen, dass Dich bei einem bestimmten Lied oder einem bestimmten Film ganz plötzlich und unerwartet eine absolute Traurigkeit traff, die in dem, was Du gerade hörtest oder sahst, verborgen lag und sich Dir nun offenbarte? Aber es war keineswegs so, dass Du hofftest, es möge möglichst schnell vorübergehen und Du könntest sogleich wieder unbeschwert sein, sondern Du wolltest vielmehr, dass es bleibt. Und nicht nur, dass es bliebe, es sollte größer und größer werden, Dich ganz und gar ausfüllen, weil Du genau zu wissen glaubtest, dass es insgeheim großartig ist, vielleicht zu den besten Dingen gehören wird, die Du je fühlen würdest, hattest Du Dich doch noch nie nie nie zuvor von etwas so verstanden gefühlt. Nur zu gerne hättest Du es Dir wie einen kostbaren Schatz bewahrt, um wieder und wieder dorthin zurückkehren zu …
Nichts von dem, das Du sagst, hat einen Anfang; nichts von dem, das Du verschweigst, hat ein Ende.
2024/02/26
Dies, mein Sohn, ist der einsamste Ort der Welt, sagte mein Vater, vor mir kniend, meinen Kopf in seinen großen Händen, ihn für einen Moment sanft hin und her schwenkend, wie um mir, Kind wie ich war, verständlich zu machen, dass er nicht das Fleckchen schmutziger Erde meinte, auf dem wir standen, sondern das, was er in den Händen hielt – meinen Kopf; und damit mich. Dass der kein Ort sei, auch nicht und nie sein könnte, wollte ich entrüstet und eine Spur verunsichert einwenden, doch flüsterte er bereits, dass es einen anderen Ort mit Sicherheit nicht gäbe, zumindest nicht für mich. Du wirst nach Orten suchen, die weniger einsam sind – und nichts finden; und Du wirst nach jenen suchen, die einsamer sind – und auch das nicht finden, stellte er klar. Was Du findest, bist …