Nur ein Narr würde nach drei Jahrzehnten nicht ahnen, was auf ihn wartet.
2021/07/08
Nur ein Narr würde nach drei Jahrzehnten nicht ahnen, was auf ihn wartet.
2021/07/08
Ich habe gesehen, hunderte Gesichter, die mir doch alle nichts sagten. Ich habe gesehen, ein Gestern, das niemals sein wird, ein Morgen, der niemals war. Ich habe gesehen, die Langeweile der ganzen Welt. Sie sind es, die ich gesehen habe. An jedem einzelnen Tag.
2021/07/08
Was gäbe ich darum, einmal in Einsamkeit zu blicken, die nicht meine eigene ist. Was gäbe ich darum, mir die Arme aufzuschneiden, und endlich Abschied zu nehmen von all dem, das mir doch ohnehin schon immer fremd gewesen ist. Wäre ich doch nur ein anderer gewesen, und hätte mich nicht länger erinnern müssen.
2021/07/08
Ist es möglich ein Leben lang aneinander vorüberzugehen ohne sich zu begegnen? Ja, es ist möglich.
Ich hatte mich, als ich mich an die Jahre erinnerte und dass ich doch schon einmal so lange hier gelebt habe, gefragt, wie es geschehen konnte, dass ich ungeachtet der Menschen alleine geblieben war. Ich bin keine zwei Tage hier, da habe ich es wieder verstanden. Ich habe verstanden, dass es nichts Einfacheres als das gibt. Hier, inmitten der anderen, gleich dessen, dass sie meines Alters sind. Es gibt sie, jene die sogar unfähig scheinen einander zu grüßen. Und wenn schon nicht mit Worten, dann doch wenigstens mit einem kurzen Blick, oder einem Nicken. Ich würde verstehen, wenn es aus der Einsamkeit heraus wäre. Nichts könnte ich besser nachvollziehen. Aber das ist es nicht, nichts könnte ihnen ferner sein. Es sind jene, die in …
Rilke schrieb, dass er gesehen hätte, wie sich das Gesicht eines Menschen löste, und in den zwei Händen zurückgeblieben war. Und dass es ihm gegraut hatte dorthin zu blicken. Mehr noch als den Blick auf das Gesicht von innen zu werfen, fürchtete er den Blick auf den bloßen, wunden Kopf.
Was würde geschehen, wenn man einem anderen in sein Gesicht blicken und nicht mehr damit aufhören würde? Wenn man den Blick halten würde, selbst wenn es längst unerträglich wäre. Wenn die eigenen Gesichtszüge, die über Jahre sorgsam errichtete Maske, nicht mehr aufrechtzuerhalten wäre und zu zerfließen, sich aufzulösen drohte. Wenn man nicht mehr wüsste, ob das, was man doch in vollem Bewusstsein begonnen hatte, nun lächerlich, oder schlicht wahnsinnig wäre. Diesen Menschen, in den man zum ersten Mal tatsächlich hineinblicken würde. Könnte man ihm je wieder begegnen? Oder würde man …
Ausbrechen, etwas Neues, wenn auch im Grunde Altbekanntes, erneut wagen. Ich ziehe um; dorthin wo ich einst, gefühlt, mein halbes Leben verbrachte. Und wenn nicht in Zahlen, dann doch mindestens nach Erlebnissen, Gedanken und Träumen. Ich zweifle, habe fast Angst, dass wenn ich nun fort bin, etwas verpassen könnte. Begegnungen mit anderen habe ich dabei keineswegs vor Augen, gleich ob bekannte oder jene, die sich vielleicht hätten ergeben können, nein, ich habe Sorge meine einsamen Sommerspaziergänge nicht wiederholen zu können. Gleich dessen, dass sie zwar traurig-schön aber doch auch immerzu gleich waren. Es ist gut auszubrechen, sage ich mir. Ich reise also zurück in der Zeit, zumindest will ich das versuchen. Dorthin, wo ich mich noch vor wenigen Jahren, wenn nicht geborgen oder zuhause, doch ein wenig zugehörig fühlte. Sagen wir: Es war mir vertraut, und ich mich fühlte zwar …
Weißt Du, wenn wir uns tatsächlich sehen sollten, wir könnten doch einfach aneinander vorübergehen? Und wenn wir dann noch etwas fühlen, nach all der Zeit, dann drehen wir uns eben zueinander um? Und wenn wir das beide tun, dann können wir uns ja auch ansehen, und lächeln, oder?
2021/07/04
Vielleicht sind wir uns selbst der größte Verlust.
Ich frage mich, womit überwindet man den Verlust seiner Träume? Pessoa schrieb nur das, was wir träumen, seien wir wirklich. Denn alles Übrige gehöre, weil es verwirklicht sei, der Welt – und damit allen Menschen. Wenn ich nicht mehr zu träumen vermag, was bin ich dann noch? Denn sie fehlen mir, meine Träume. Ein wenig so, als sei die Sehnsucht mein eigentliches Leben gewesen. Und irgendwie, irgendwie war sie das ja auch immer gewesen. Früher einmal. Ich sehnte mich nach einem Leben; und weil ich träumte und mich sehnte, lebte ich tatsächlich.
Doch meine Träume und ich, wir erlitten schon vor Jahren gemeinsam Schiffbruch. Ein Schiffbruch an der Wirklichkeit, den keiner von uns beiden so wirklich überstand. Sie trieben alleine davon, auf der Suche nach einem, der sich besser darin verstand an …
Ich sitze hier und schreibe. Es ist Samstagabend, mein 167. Wochenende in Folge, das ich alleine verbringe. Die Menschen, an die ich dabei denke, sitzen nicht und schreiben nicht und denken nicht. Und wenn sie sitzen, dann nicht bei mir, und wenn sie schreiben, dann nicht von mir, und wenn sie denken, dann nicht an mich.
2021/07/03
Ich stelle mir manchmal vor, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufstehen werde. Und wenn er dann da ist, und ich erwache, beginne ich doch einen Tag wie den anderen. Ich habe keine Angst davor, dass es irgendwann so weit sein könnte. Im Gegenteil, ich glaube ich wäre erleichtert. Ich glaube mir würde eine Last von den Schultern genommen werden, die ich ansonsten Tag für Tag trage. Habe ich es mir denn nicht längst redlich verdient, das leise Ausscheiden aus dem, das die anderen Leben nennen? Die, die es tatsächlich verstehen eines zu haben, ein wirkliches Leben? Schließlich bin ich doch aufgestanden, ein um den anderen Tag. Auch wenn ich längst nicht mehr wollte.
Ich glaube ich bin es überdrüssig, das immergleiche Erwachen in mein trauriges Gestern.
2021/07/03