Gedanken

Tage, Wochen, Monate, ein Jahr. Und dann? Ein Leben? Mein Leben? Was folgt auf Jahre, frage ich mich. Was folgt, wenn ich mich schon so lange trage, wie ich denken kann.

2022/12/19

Das Leben war schön, und einsam.
Selten schön, und immer einsam.
Und je schöner, desto einsamer.

2022/12/17

Ich hatte nie viel davon gehalten, wenn in meinem Umfeld von einsamen Gegenden gesprochen wurde. Eigentlich tue ich es auch heute nicht. Einsam sind wir, nicht die Landschaft. Wenn ich an den heutigen Morgen denke, alleine zwischen Feldern, Dörfern und Wäldern an einer Landstraße in der Kälte und dem Schnee stehend, ist sie wohl allenfalls verlassen. Verlassen, von uns. Zugleich ist das aber auch, was ich mag. Wenn wir erwarten, dass außer uns noch jemand da wäre, da sein müsste, das aber nicht geschieht und wir scheinbar die ganze Welt für uns alleine haben. Zumindest alles, das wir in diesem Moment sehen können. Und mehr, mehr muss es vielleicht auch gar nicht sein. Von hier, bis zum Horizont. Das ist der Winter für mich.

2022/12/16

Es schneit, nun richtig, ich spürte die Flocken eiskalt im Gesicht, wie kleine Nadelstiche. Lebendig, und gleichzeitig still im Winterwald.

Wär’s nicht schön, wenn wir gemeinsam ebenso zwanglos sein könnten, wie alleine? Wenn uns nie fad werden würde, auch wenn wir einmal nichts zu sagen hätten? Alleine, alleine ist das so. Vielleicht mag ich es deshalb so sehr. Weil es zwanglos, und immer frei ist. Im Winter, in der Kälte, kann ich stundenlang schweigend unterwegs sein. Aber mit jemand anderem? Nicht einmal vorstellen kann ich mir das.

2022/12/15

Du lebst. Alleine.
Wenn Du Dich umdrehst, und zurückblickst, ist da niemand.
Und wenn Du weitergehst, und nach vorne siehst, ist da auch niemand.
Dann stirbst Du.
Endlich, sagst Du.

2022/12/06

Auf einem unserer Streifzüge durch den Wienerwald waren wir einmal an einem Käfer vorübergekommen, der sich mühevoll zwischen dem Laub des Waldbodens seinen Weg zu bahnen versuchte. Eines seiner Beine war versehrt, er rappelte sich auf, ging los, doch kippte er schon nach wenigen Schritten zur Seite. Auf dem Rücken liegend strampelte er hilflos mit den Beinen in der Luft. Ich beugte mich hinunter, setzte ihn vorsichtig auf, doch alles wiederholte sich. Er hat Schlagseite, merkte ich nicht ohne Bedauern an. Ich glaube, manchen Menschen geht es nichts anders. Dort, wo die anderen geradeaus gehen, können sie immer nur in eine Richtung gehen, drehen sich zwangsläufig wieder und wieder im Kreis, kommen nicht vom Fleck. Vielleicht sind ihre Beine nicht versehrt, die Seele dagegen schon. Schlagseite, weil die Seele auch vor dem Körper nicht Halt macht.

2022/12/05

Seltsame Vorstellung, dass man an einem Sonntagmorgen – kalt und grau – auch gemeinsam auf einem Spaziergang durch letztes Herbstlaub gehen könnte. Schreib’s auf, sage ich zu Gott, der so frei ist, eine Liste für mich zu führen, mit all den Dingen, die ich stattdessen vielleicht im nächsten Leben tun könnte. Ein wenig so, als wäre er vielleicht Barkeeper und ich würde Abend für Abend am Tresen sitzen und bei all den kleinen Dingen, die ich nicht leben kann, sage ich dann, er solle sie zu den anderen setzen. Gleich wie viel auf dieser Liste stehen würde – und es wäre einiges – wäre die Hauptsache wohl ein Leben, bei dem ich nicht dort sitzen müsste. Und auf seiner, auf seiner würde vielleicht geschrieben stehen, dass er einen Beruf hätte, bei dem ich nicht Tag um Tag Gast bei …

Das Paradoxe an Einsamkeit ist vielleicht, dass je einsamer ich bin, desto mehr Abstand zu anderen brauche ich. Vielleicht aber scheint das nur insoweit seltsam, bis ich verstanden habe, dass meine Einsamkeit nicht aus mir, sondern meinem Gegenüber heraus entsteht.

2022/12/03

Wir leben / und sterben / einzig in Träumen / anderer.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr verstehe ich, dass wir unsterblich sind. Nur in anderen sterben wir; und auch nur dann, wenn wir gekannt wurden. Wenn ich aber einsam bin, bin ich ewig.

2022/12/03

Vielleicht bin ich mir selbst ein Rätsel.

2022/12/03