Ich habe manchmal das Gefühl, ich müsste ein anderes Leben leben; doch habe ich keinen Schimmer, was für eines das sein, noch wo es lauern könnte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es erkennen würde, läge es eines Tages vor mir. Vielleicht ist das, seit ich einmal davon gelesen habe, nebenan wäre stets eines, das man ebenso gut hätte leben können.
Es dämmerte kaum, doch noch immer rannten die Wellen unaufhörlich, beinahe schon wütend gegen die Küste an. Für einen Moment griff plötzlich eine davon weiter als gedacht, brach ebenso tosend wie furchtlos gegen den Fels, durchnässte mich mit einem einzigen Schwall bis auf die Haut. Schäumend und in Windeseile floß das Wasser ab, suchte sich im wirren Netz der Felsen gekonnt, fast wie von unsichtbarer Hand gelenkt, tausende Wege zurück zu seinem Ursprung. Ich fragte mich: wenn ich aufschlüge, und zerstöbe – wohin würde es mich ziehen? Gäbe es auch für mich, meine Gedanken und Erinnerungen, eine Schwerkraft, die von einem Ursprung wüsste? Ich verfluchte das Wasser und beneidete es mindestens ebenso sehr um seinen Weg; doch rätselte ich auch, wohin es flöße, wenn es anders könnte. Und Du, warst Du es nicht gewesen, die einmal sagte, es könne? Du warst Dir so verdammt sicher damit gewesen, dass ich mich nicht traute zu fragen, woher Du Dein Wissen nahmst. Vielleicht, weil ich ahnte, es könne aus Deinem vorangegangenen Leben stammen. Eines, über das Du ansonsten immer nur geschwiegen hattest.
2024/03/01