Erinnerst Du Dich noch an diese ganz bestimmten Herbsttage? Jene, an denen es stürmisch, dunkel und kalt war. Wenn wir nach unserem Spaziergang am Wald ganz ausgefroren und erschöpft – die Augen tränend, die Nasen laufend – endlich wieder im Warmen bei mir zu Hause ankamen, Tee und Kuchen auf uns warteten? Auch jene wenigen Herbsttage, an denen die Sonne schien, es zwar frisch aber doch auch angenehm in der Sonne war. Unsere Streifzüge durch Buchenwälder, über Wiesen und Herbstlaub hinweg. Wenn wir auf Parkbänken in der Sonne Seite an Seite saßen, die letzten warmen Sonnenstrahlen genossen. In der Dämmerung den längeren Weg „übers Land“, wie ich immer sagte, nach Hause fuhren. Verlorene Bäume und Gehöfte, vereinzelte Lichter im dunklen Blau des Abends an uns vorbeizogen. Keine Straße zu schmal, oder zu weit. Dort glücklich und zufrieden ankamen. Mit dem Tag, mit uns. Wie wir nacheinander in der Dusche verschwanden und dann erschöpft ins Bett fielen. Zu müde und gesättigt, um noch einen meiner Filme anzusehen. Frühs, beim ersten Sonnenlicht, der Blick aus dem Fenster, das warme Morgenlicht auf den letzten gelben Blättern der großen alten Linde. Der leise Wind darin. Und Du. Ich liebte es vor Dir aufzuwachen, Dich im ersten Licht zu betrachten. Alles still, und Du so friedlich daliegend. Zufrieden hast Du immer ausgesehen. Als wären wir eins. Ich glaube, an die Zukunft habe ich dabei nie gedacht.
Erinnerst Du Dich an den Winter? Wenn über Nacht still und heimlich der erste Schnee gefallen war. Wir uns an Samstagmorgen noch vor dem Frühstück warm anzogen und hinausgestapft waren? In die Stille, in den Schnee hinein. Wenn nichts zu sehen war, nur das endlose Weiß um uns herum, schwarze, einsame Baumgerippe dazwischen. Deine und meine Fußspuren im Schnee. Erinnerst Du Dich an die durchdringende Kälte, wenn wir in Dunkelheit und Nacht am Wald spazieren waren. Der Schrei einer einsamen Eule, unsere Schritte im Schnee. Kaum etwas zu sehen außer der blauen Nacht, unsere zaghaften Atemwolken im ersten Mondlicht. An Novembertagen, wenn der erste Schnee doch wieder schmolz, es nass und reichlich unangenehm draußen blieb. Uns der Wind zornig um die Ohren peitschte, so als wollte er uns davontreiben und wir uns in alldem doch kaum jemals zuvor lebendiger gefühlt hatten. Bäume, die unter der Last des Windes zu brechen drohen, das laute Rauschen. „Wuuuuasch“, hörst Du es? Und die Kälte. Was wären diese Tage ohne sie?
Ich erinnere mich an den Frühling, und den Sommer. Als Du nicht mehr da warst, ich niemanden mehr an meiner Seite sah. Ich erinnere mich an Regen. Ich erinnere mich an die ersten warmen Sonnenstrahlen, den Duft des Frühlings, das erste zaghafte Grün. Ich erinnere mich daran, wie ich mich fragte, wie’s denn sein kann, dass die Natur mich abgehängt, mir unaufhaltsam davongerannt war. Der Frühling kam, doch ich fühlte mich im Inneren wie der Winter. Die Sonne schien, doch in mir schien nichts als Kälte zu sein. Als wäre ich selbst einer dieser alten knorrigen Bäume, längst keine Kraft mehr zum Wachsen. Novembermorgen, die in mir Einzug halten. Winterwind, der in meinem Herzen bläst.
Du fehlst.
2019/02/10