Wenn ich an den Sommer zurückdenke (es ist zweifelsohne Herbst geworden, die Temperatur erstmals unter fünf Grad gesunken, Regen hier unten und sogar etwas Schnee auf den nahen Bergen) erinnere ich mich vor allem an meine ausgedehnten Spaziergänge, die in diesem Jahr irgendwie anders gewesen waren. Vereinzelt war ich auch mit einem Bekannten unterwegs, doch der Sommer blieb, wie in den vorangegangenen Jahren, ein weiterer einsamster Sommer meines Lebens. In Erinnerung geblieben sind mir weniger die Streifzüge in der Früh, als vor allem jene an den Sommerabenden. Ich weiß nicht genau wieso, aber ich hatte mich nicht länger an der Hitze gestört, sie stattdessen angenommen, mich vielleicht sogar darin lebendig gefühlt. Vor allem dann, wenn ein Wind aufgekommen war und mich wieder trocknete. An einem dieser Abende, einer der heißesten des Sommers, hing alles wie unter einer Glocke, vielleicht sogar tatsächlich unter Saharastaub, den der Wind aus der Ferne hierhergetragen hatte. Auch wenn ich ohnehin selten jemandem begegnete, an diesem Abend schien es noch einmal anders. Auch nach acht Uhr noch über dreißig Grad, die Sonne als orangene Kugel am Horizont erkennbar, ihr Licht so gedämpft, dass man fast hätte hineinsehen können. Die Welt schien zu schlafen, so als hätten all ihre Bewohner gemeinschaftlich beschlossen, heute einmal zuhause zu bleiben. Und ich erinnere mich, dass ich sogar in und zwischen den Dörfern, die, neben Wiesen und Wäldern, meinen Weg säumten, inmitten der Straße hatte gehen können, weil niemand sonst mehr unterwegs gewesen war. Nur ich, mein Shirt längst über der Schulter, die nächste Kurve, die nächste Anhöhe vor Augen. Ich war einsam; aber solange ich ging, verdrängte die Hitze, dass ich mir dessen allzu sehr bewusstwurde. Solange, bis ich dann wieder nach Hause gekehrt war; soweit ein Zuhause, in dem ich einsam bin, eines ist. Vielleicht war ich auf meinen Streifzügen besser aufgehoben; und das Leben vielleicht selbst kein Zuhause, allenfalls Gast wie ich darin bin.
Vielleicht wird es im Winter dasselbe sein, nur dass ich dann eben frieren werde.
2022/10/16