Jetzt ist es so weit,- die Berge tragen Schnee. Auch ich verschwinde im Weiß, wie ich rasch aufsteige. Erst in die Wolken, dann in das harsche Schneetreiben hinein. Nur wenige Meter weit reicht mein Blick, Wind und Flocken aus allen Richtungen, kauere ich mich für eine knappe Stunde hinter einen Felsen. Doch es hilft wenig, der Wind trifft noch immer und damit bleibt es auf Dauer zu kalt. Ich schüttle mich, etwas Schnee fällt ab von mir, dann wandere ich weiter, hinauf auf den Kamm, den ich dort zumindest vermute,- und damit dem Wind entgegen. Dort oben angekommen, seh‘ ich plötzlich die Sonne in den Wolken. Heißt noch lange nichts, sage ich mir, habe schon viel zu oft erlebt, dass nur ein weiterer Schwall an Wolken heranzieht, alles Dagewesene verschluckt, die Welt weiter auf die wenigen Meter vor mir reduziert. Doch nicht heute. Eine gute Viertelstunde später leuchtet tatsächlich der schneebedeckte Kamm vor mir auf. Konturen erscheinen, die Dimension wird wieder greifbar. Wolkenfetzen ziehen mit hoher Geschwindigkeit durch das Tal, an den Bergen entlang und darüber endlich auch die Sonne, so als wäre sie nie fort gewesen. Dann: endlich ist auch der Berg vor mir an der Reihe, fast ganz in Weiß taucht er auf, darunter Seen, darüber das tiefe Blau des Himmels. Phänomenal. Ich weiß nicht, was ich bei meinem Aufbruch erwartet hatte, doch das, was ich nun gesehen habe, war jede Mühe wert und lässt selbst das Frieren zur Anekdote werden. Ich bin aufgestiegen; und ich habe die Welt gesehen.
2023/10/20