Ich erinnere mich, es war kalt und still gewesen an diesem Tag. Und es hatte geschneit, in der vorherigen Nacht. Das erste Mal, dass es nun mehr Winter als Herbst schien. Früh am Morgen, im ersten Tageslicht, stand ich alleine am Wegesrand, noch immer segelten vereinzelt Schneeflocken nahezu schwerelos durch die Luft. Ich sah die Berge groß und blau am Ende des Tals aufragen, eine weite schneebedeckte Ebene vor mir und in den Wäldern ringsherum, zwischen dem Weiß des nun zweifelsohne nahen Winters, die letzten Herbstfarben. Und ich stand dort, und ich war traurig, denn ich erkannte, dass ich nichts bin. Ich fühlte es, in und mit jeder einzelnen Faser meines Körpers. Aber es war nicht laut, wie ich das vielleicht erwartet hätte, sondern sanft wie der Schnee, der in der windstillen Nacht gefallen war. Ich verstand, dass ich ohne jede Antwort und ohne jeden Sinn bin. Und auch, dass all das, was ich da vor mir sah, ganz ohne mein Zutun bestehen würde. Dass es keinen Unterschied machte, ob ich hier, als stiller Betrachter, der ich mich fühlte, nun stünde oder nicht, noch dass es überhaupt von Bedeutung wäre, dass ich lebe, vielleicht sogar niemals von einer war. Ich glaube, ich hatte meine eigene Irrelevanz begriffen; oder vielleicht die, für die Welt. Und das tat weh, in meinem Inneren. So sehr, dass nicht viel fehlte und ich hätte weinen müssen. Aber zugleich war es auch schön, wunderschön. Das, was ich zwischen mir und allem anderen immer wahrgenommen und als Distanz verstanden hatte, eine, die mich so oft verfolgt und nicht mehr losgelassen hatte, schien mir in diesem Moment nun absolut vollkommen zu sein. Mir war, als wäre mein Verschwinden genau das gewesen, wonach ich all die Jahre vergeblich gesucht hatte, ohne dass ich zuvor überhaupt hätte sagen können, was es war, das mir fehlte. Auf meinem Weg hierher hatte ich alle Brücken hinter mir abgebrochen, jeder Faden war längst gerissen. Wenn ich sie nicht selbst zum Einsturz gebracht hatte, so waren es andere gewesen, die mir, fast schon bereitwillig, dabei halfen. Und später habe ich es verinnerlicht, dieses Nicht-Sein, und für meine Bestimmung gehalten. Es ist immer weiter in mich hineingegangen, und übergegangen in mich. So sehr, dass ich am Ende nicht einmal mit Gewissheit hätte sagen können, ob all das nun von mir selbst, oder der Welt um mich herum ausgegangen war. Ich war ein Niemand, ein Nichts geworden. Und noch immer glaube ich, dass ich der Vollkommenheit nie nähergekommen bin, als in diesem Augenblick meines sonst so einfalllosen Lebens, an dem ich leider viel zu oft und lange nur an der Oberfläche gekratzt hatte.
2022/01/26