Manchmal frage ich mich, ob wir nicht manches im Leben alleine tun müssen;
und dieses Manches am Ende vielleicht sogar alles ist.
Durch Frankreich bin ich gefahren, einen ganzen Tag und die halbe Nacht lang. Nicht, dass ich das zuvor nicht schon öfter getan hätte, doch noch nie zu dieser Jahreszeit; und nie in dieser Richtung. Dieses Land, zuweilen ungemein weitläufig, noch immer so viele kärgliche oder gar nicht besiedelte Gebiete. All der Wald, die endlosen Wiesen und Felder. Das alles strotzte nur so vor grün; und mir war, als hätte ich vergessen gehabt, wie der Frühling ist; vielleicht, weil ich noch am frühen Morgen bei Schnee und Nebel zwischen Bergen aufgewacht war. Ich zählte Orte, die mir links und rechts der Straße auffielen und die ich gerne einmal gemeinsam mit jemandem besucht hätte, bis es zu viele waren. Zu viele Orte für ein Leben, so wie auch nur ein einzelner zu viel für meines wäre. Ich habe keine Bilder aufgenommen, sondern den Blick unentwegt von Fenster zu Fenster schweifen lassen und dabei alles in mich aufgesogen. Jeden einzelnen Kilometer. Und gehofft habe ich, von ganzem Herzen, dass das alles einen Platz in mir finden und dort verweilen wird.
Auch zwei junge Menschen sah ich, die im Dampf, den ein Schauer in der Abendsonne hinterließ, zwischen Bäumen spazierten; und vielleicht hätte ich in diesem Moment mein Leben für ihres gegeben, hatten sie doch eines, das mir immer fremd geblieben war. Und natürlich, manchmal stelle ich mir noch immer gerne vor, dass Du noch wärst und wir ebenso an Sommerabenden inmitten der Landschaft gestanden, auf Felder und Wiesen hinausgesehen hätten. Die Fingerspitzen im Korn, den Wind in den Haaren. Doch, wenn ich so dahinfahre, von einem Land zu einem anderen, frage ich mich, ob wir nicht manches im Leben alleine tun müssen; und dieses Manches am Ende vielleicht sogar alles ist. Aber, auch wenn ich dabei schweige,- wortlos bin ich nicht. Nur hören kann mich niemand.
2023/05/12