Ist es nicht absurd, dass gerade dann, wenn sich viele einem Land nicht länger zugehörig fühlen, die Abwicklung eben jenes Landes problemlos vonstattengehen kann? Aber wer wäre ich, mich diesem Niedergang entgegenzustellen? Und überhaupt, womit? Folge ich nicht lieber Thoreau und überlasse es den Verzweifelten, sich selbst restlos aus der Welt zu tilgen, war es doch wahrscheinlich genau das, wonach sie immer suchten?
Ein Widerspruch, das Fremd-im-eigenen-Land-sein, kann doch etwas, in dem ich mich nicht länger zuhause fühle, kaum mein Eigen sein. Und ohnehin, wirklich zugehörig habe ich mich diesem Land nie gefühlt, noch dass ich mir herausgenommen hätte, dass es etwas für und nur für mich zu sein habe. Vielleicht hatte das daran gelegen, dass mir die Menschen darin immer schon ein wenig suspekt waren, ja, ich gar kein Teil von ihnen sein wollte. Vielleicht aber auch, weil das, was zum Niedergang führt, schon so lange spürbar war, wie ich überhaupt denken kann. Vielleicht ziehe ich sogar meinen Hut, nicht mit einem anerkennenden aber doch wissenden Lächeln, vor denen, die, teils aus Naivität, vielmehr aber in vollem Bewusstsein, das herbeiführten, was schon bald alles sein wird. Sicher scheint: wer Heimat sucht, vor allem mit und in der deutschen Sprache, wird es schwer haben, hat es schon heute so schwer, dass ich längst selbst dazu übergangen bin die Spuren eines Heimatgefühls vor allem dort zu suchen, wo niemand ist; es sei denn mein Weg kreuzt sich mit dem jener älterer Herrschaften, die dieses Land einst wieder aufgebaut hatten und nun den Niedergang mitansehen müssen. Sie, die auch heute noch diese Sprache mit all ihren Facetten weit besser beherrschen, als ich es je könnte. Heimat war für mich nie Leute, sondern Land. Vor allem aber auch die deutsche Sprache. Beides wird es nicht mehr lange geben, wage ich zu behaupten. Sicherlich, ich erkenne ihren Weg an, doch ist es meiner nicht – und wird es auch niemals sein.
2023/09/18
(Im Grunde ist dieses Land schlicht eine Beleidigung des Intellekts; einzig möglich, weil den meisten eben heute genau das fehlt: der Intellekt.)