In diesem Moment wäre ich irgendwie gerne einmal mit ihr spazieren gegangen. Einfach so; vielleicht, um wenigstens zu fragen, wie sie gelebt hatte, in und zwischen den Jahren. Nichts weiter, ganz unverbindlich und zwanglos. Ich fühlte die Illusion von Verbundenheit – einfach, weil ich sie jedes Jahr einmal sehe. Wahrscheinlich ist das ein wenig seltsam; wahrscheinlich ist das aber auch egal, weil es nie über unser kurzes Wiedersehen hinausgehen wird.
Es gibt wieder jemandem, in meinem Leben. Oder eigentlich gab es sie schon die ganze Zeit, nur hatte es so lange gedauert, um das auch zu bemerken. Sie, als ein fester Bezugspunkt. Vielleicht der einzige, den ich in anderen so richtig habe. Im vergangenen Sommer, als ich eines Abends jenes Café besuchte, in dem ich früher unzählige meiner Nachmittage verbracht hatte – immer alleine, immer mit einem neuen Buch und ein paar Seiten zum Schreiben auf dem Tisch – fühlte ich mich durch sie schon vage an diese frühere Zeit erinnert. Schließlich nahm ich meinen Mut zusammen und fragte sie, ob wir uns denn von früher kennen würden; und ich umriss zur Erklärung ein wenig jene Zeit. Und ja, es schien tatsächlich so. Dann war ich wieder fort, wieder für ein Jahr. Und heute, heute war ich endlich wieder einmal dort. Und sie, sie war das auch. Und als sie schließlich vor meinem Tisch stand, war da ein winziger Moment, von dem ich felsenfest glaube, dass auch sie sich erinnerte. Ihr Lächeln schien mir anders. Ein ganzes Jahr. Und wieder wird mindestens ein Jahr vergehen, denn ihren Namen kenne ich ebenso wenig wie sie den meinen. Ausgehen werden wir auch nie, doch dass ich heute das Gefühl hatte, dass auch sie mich wiedererkannte – das muss genügen. Und es wird, ist es doch wahrscheinlich weit mehr, als ich in anderen fand. Aber: es gibt da jemanden.
2023/08/05