Die schlechte Laune steigt in mir auf wie eine Sturmfront in den Bergen; ich weiß selbst nicht, was eigentlich los ist aber dass das keine Wolken sind, wie man sie für gewöhnlich sehen kann, schon.
Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht mit mir, dämmert mir langsam mehr und mehr. Nur was es ist, das weiß ich nicht. Kaum kehre ich von einer Reise zurück, beginnt sich wieder alles in mir zu drehen. Es ist eine Unruhe, eine Unzufriedenheit und auch eine Spur von Wut, die bei jeder noch so kleinen Gelegenheit zum Vorschein kommt. Ehrlich gesagt, ich dachte immer die Menschen in meiner Umgebung seien kaum überlebensfähig, doch so langsam glaube ich, dass nur ich es bin, der hier nicht leben kann. Ich meine, das Gefühl am Leben zu zweifeln ist mir längst vertraut genug, als dass ich mich noch darüber wundern würde. Ich habe damit zu leben gelernt. Aber die Unruhe? Die Unruhe treibt mich in den Wahnsinn. Und weil ich hier nun einmal nicht atmen kann, allenfalls eine Handvoll Tage lang, zieht es mich gleich wieder zurück, wieder in die Ferne. Nach zwei, drei Stunden in der Nacht durch die Stadt, in der ich vor Jahren einmal voller Sehnsucht ein mir fremdes Leben sah aber heute niemals mehr dort leben könnte, vielleicht auch gar nicht wollte. Stattdessen lieber weiter, rasch durch die Außenbezirke und dann kilometerlang die Berge hinauf. Das Schneetreiben nimmt zu, die Straße verschwindet mehr und mehr darunter, es wird knapp, bloß nicht stehenbleiben, sondern immer schön weiter. Schließlich komme ich an, kurz nach Mitternacht, es ist ein Ort, den ich mir erst vor wenigen Wochen als Möglichkeit ausgesucht hatte. Hinein in den Schlafsack, zwei Grad unter Null ist es, alles kein Problem. Erst einmal in Ruhe dem Schnee lauschen wie er mein Zuhause, mal sanft mal zornig, mehr unter sich begräbt. Allein hier fühle ich mich geborgen, funktioniere, bin zuhause. Aber an einem anderen Ort? Nein, schon so lange nicht mehr. In der ersten Morgendämmerung, kaum hell genug, all das Weiß mehr blau als grell, breche ich auf stapfe in den Nebel hinein. Mir bleiben eine, mit viel Glück vielleicht auch zwei Stunden, in denen ich all das nur für mich habe und keiner der anderen hier sein wird. Das ist nicht viel Zeit, doch ist es die Zeit, die mir alles bedeutet. Spuren will ich keine hinterlassen, nicht in der Welt und auch nicht in anderen, doch im Neuschnee werde ich wohl kaum umhinkommen. Immerhin, der Wind wird sie rasch hinter mir zu verbergen wissen. Auf ihn kann ich zählen und es wird sein, als wäre ich nie hier gewesen.
2023/11/26