Ist es Dir je so ergangen, dass Dich bei einem bestimmten Lied oder einem bestimmten Film ganz plötzlich und unerwartet eine absolute Traurigkeit traf, die in dem, was Du gerade hörtest oder sahst, verborgen lag und sich Dir nun offenbarte? Aber es war keineswegs so, dass Du hofftest, es möge möglichst schnell vorübergehen und Du könntest sogleich wieder unbeschwert sein, sondern Du wolltest vielmehr, dass es bleibt. Und nicht nur, dass es bliebe, es sollte größer und größer werden, Dich ganz und gar ausfüllen, weil Du genau zu wissen glaubtest, dass es insgeheim großartig ist, vielleicht zu den besten Dingen gehören wird, die Du je fühlen würdest, hattest Du Dich doch noch nie nie nie zuvor von etwas so verstanden gefühlt. Nur zu gerne hättest Du es Dir wie einen kostbaren Schatz bewahrt, um wieder und wieder dorthin zurückkehren zu können, doch konntest Du nicht. Stattdessen hast Du die Szene wiederholt, jede der kostbaren Sekunden in voller Konzentration aufgesaugt, den Ton noch lauter und lauter gedreht, bis Dir schon die Ohren davon dröhnten, auch wenn offensichtlich war, dieses Gefühl mit jeder Wiederholung nur schneller zu verlieren. Aber noch, noch warst Du nicht am Höhepunkt angelangt, da war noch Luft nach oben, das spürtest Du genau. Du saßt gespannt da, längst liefen Dir die Tränen übers Gesicht aber Du wusstest auch, dass das verdammt nochmal großartig ist. Und da war ein Verlangen nach mehr. Da MUSSTE mehr sein. Nur wie, das hattest Du nicht gewusst. Erschöpft lehntest Du Dich schließlich zurück, Dir klingelten laut die Ohren, Schmerz und ein Gefühl des Versagens traten unweigerlich in den Vordergrund. Nicht die Traurigkeit blieb, sie verklang, gleich wie sehr Du sie geliebt hattest, doch das dumpfe Gefühl, dass Du wer weiß was dafür gegeben hättest, wenn Du ganz darin hättest aufgehen können, so als wäre es Dir zum Schlag Deines Herzen geworden, blieb schal als Erinnerung zurück.
Dass wir nicht dorthin gelangen können, wohin wir wollen, ist der Fluch des Menschsein. Dass wir vergessen, und jedes Gefühl verklingt, lässt uns als Tote weiterleben. Und an wen, wenn nicht uns selbst, verloren wir es schon, mit jeder weiteren Wiederholung? Außer uns war niemand hiergewesen, der es hätte stehlen können, empfanden wir es doch allein – und gaben es damit dem Verfall preis.
2024/02/27