Seltsam, dass ich mich an jemanden erinnere, der kaum mehr als ein Traum gewesen war. Vielleicht habe ich deshalb das Leben zwar gesehen, doch das Träumen vorgezogen.
Erneut bin ich heute in die Stadt aufgebrochen. Nach stundenlanger Nachtfahrt erreichte ich mein Ziel gerade rechtzeitig, um die letzten und kostbarsten Minuten der Morgendämmerung zu erleben. Nicht, wie früher noch, bei einem Menschen, sondern stattdessen still und alleine zwischen Straßen und Häusern. Immerhin, kalt war es dieses Mal und auch ein Hauch von Schnee und Eis ruhte auf Gehwegen und Dächern. Ich fühlte mich an Wien erinnert, sehr sogar. Und noch immer frage ich mich, wenn ich die zahllosen Passanten an mir vorüberziehen sehe, ob es nun keinen oder jeden Grund dafür gab, einsam geblieben zu sein. Doch wenn es mir gelungen wäre, öfter hierher zu gelangen, hätte es mich nicht verwundert, wenn ich ungeachtet dessen am Ende ebenso alleine geblieben wäre. Aber, zumindest bin ich mir nun sicher, dass das Sein hier etwas Besonderes innezuhaben scheint. Irgendetwas, das ich zwar spüre aber nicht zu benennen vermag. Vielleicht, weil es hier so viele verschiedene Gesichter zu betrachten gibt, dass ich hier und da doch ins Träumen gerate. Und wenn ich nicht einsam gewesen wäre, hätte ich wohl mein vereinzeltes Warten, einzig begleitet von Musik und Gedanken, umgeben von Straßenbahnen und Platanen, tatsächlich als nichts weiter empfunden. Doch war es für mich Träumerei; und damit Leben.
Am Ende des Tages war ich zwölf Stunden und mehrere hundert Kilometer unterwegs gewesen, hatte sogar jemanden gesehen, der mir zu gefallen schien und fühlte mich für einen Moment auch an eine frühere Zeit meines Lebens erinnert. Spricht dieses Saldo nun für, oder gegen mich?
2023/01/19