An manchen Tagen, wenn ich verloren und einsam dahingehe, durch die Stadt, ihre Straßen und Plätze, über Brücken und unter Toren hindurch, verspüre ich den Drang all das, was da links und rechts an mir vorüberzieht, zu berühren. Im Vorbeigehen streife ich sachte mit meinen Fingerspitzen entlang der Backsteine eines alten Hauses, fühle für Sekunden den rauen Verputz einer Friedhofsmauer, die kühlen Streben eines eisernen Zaunes und dazwischen das taunasse Laub der Bäume. Vielleicht will ich mich weniger vergewissern, dass all das wirklich ist, als dass ich selbst es bin. So als gäbe mir die flüchtige Berührung die Gewissheit, dass ich ebenso existiere wie das andere um mich herum, dass ich zwar sehen kann, mir aber doch auf immer fernbleibt. Denn ohne die Berührung mit einem Äußeren, sind wir da überhaupt? Haben wir überhaupt Gesichter, so ohne jemanden, der nach uns sucht?
Vielleicht habe ich es deshalb immer so sehr gemocht die Hand eines anderen Menschen zu halten. Weil in dieser einfachen, unscheinbaren Geste und Berührung, für viele vermutlich kaum der Rede wert, doch so viel mehr liegt. Nicht nur ein stilles Einverständnis, ein Bekenntnis zueinander von nun an gemeinsam einsam zu sein, sondern auch, dass man – die große Welt da draußen, irgendwie fern, wirr und manchmal auch beängstigend – dessen ungeachtet und davon unbeirrt eine winzige, kaum erkennbare Einheit bildet. Einst fuhren wir beide so dahin, sahen Seite an Seite still und doch niemals stumm nach draußen. Auf, und in die Welt hinein. Und wenn ich mich manchmal für einen Moment zu verlieren drohte, genügte ein leichtes Drücken Deiner Hand, die ich fest und warm in der meinen hielt, um mich wieder meiner selbst, und unserer zu vergewissern. Dann hast Du mich angesehen, und gelächelt.
Doch wenn ich heute einsam bin, so bin ich es absolut. Meine Hände nach jemandem auszustrecken, erscheint mir so abwegig und unmöglich zu sein, wie zu jener letzten Sekunde, bevor ich es das erste Mal wagte. Ich bin, was ich insgeheim vielleicht immer gewesen war – allein. Und wenn ich über etwas verwundert bin, dann nicht, dass ich mich einsam fühle, sondern dass ich es auch so oft nicht tue. Denn eigentlich, eigentlich müsste ich das, oder?
2020/12/13