Während ich schlafe, es still um mich herum ist, wartet bereits ein weiterer Sonnenaufgang auf mich; oder ich auf ihn, denn wer weiß das schon so genau.
Gestern Morgen bin ich in der ersten Dämmerung neben einem kleinen See mit Blick auf die schneebedeckten Berge aufgewacht, habe fotografierend dort dem Sonnenaufgang beigewohnt, bin im Morgenlicht den Pass hinabgefahren, war weiter unten schließlich ganz angetan vom strotzenden Frühlingsgrün. Dort habe ich angehalten, ein kurzer Besuch in einer Boulangerie, endlich das heiß ersehnte Baguette. Ich fuhr weiter durch das Tal und dann einen anderen Pass hinauf. Ich hoffte, ich käme bis zum angedachten Ausgangspunkt für meine Wanderung – und hatte Erfolg, nur die Kilometer dahinter noch immer in der Winterruhe. Ich frühstückte gut, las und dachte nach, bis ich am frühen Nachmittag ins Tal hinaufmarschierte. Der Weg schließlich beschwerlich, der Schnee zu hoch und nass, der angepeilte See bei meiner Ankunft im Weiß kaum mehr als eine Ahnung,- doch trotzdem wunderschön. Ich erklomm, nun auf der Suche nach einem alternativen Motiv, den Steilhang, kam an einem Murmeltierbau vorüber (der Bewohner zog sich eilig zurück), wagte mich grenzwertig unter einem Schneefeld weiter vor, bis ich einen sagenhaften Blick auf das unter mir liegende Tal und die großen Berge hatte. Dort wollte ich nun Stunden warten, auf Abendlicht und Sonnenuntergang, tat es auch, doch als die Wolken immer dunkler und dunkler wurden, stieg ich schließlich ab. Das Tal verlassen, unter nahenden Regenwolken nun mordorgleich. Ich fotografierte rasch, rannte dann los, wurde trotzdem nass aber konnte in einem Unterschlupf guter Laune das Gröbste abwarten. Eine Stunde später, wieder zurück am Ausgangspunkt, außer mir keiner mehr hier. Die Klamotten nass, doch die Abgeschiedenheit entschädigte allemal. Nun zur blauen Stunde denn Pass wieder hinab, die nahezu verlassenen Dörfer zwischen den Bergen im orangenen Straßenlaternenlicht mit ihrem eigenen Reiz (seltsam, diese einzig auf den Wintersport ausgelegten Orte in der Nebensaison; wie oft fragte ich mich, wie es wohl wäre dort als einziger Gast zu hausen), in der Ferne dazu Wetterleuchten, die Wolken dazwischen fast schwarz. Schließlich, längst Dunkelheit und nach einer kurzen Polizeikontrolle (es ist Samstag, ich war alleine wandern, getrunken habe ich nichts weiter als eiskaltes Quellwasser), den anderen Pass hinauf, zurück an mein Zuhause am See. Hier ist es still, nur die Krötenwanderung tagt auf der Straße, der Mond erscheint über den Bergen, links davon weiteres Blitzen, der Donner bleibt dagegen aus. Einen Bekannten rufe ich noch an, hatte es vor Wochen schon versprochen, er gerade mit Freunden unterwegs auf Kneipentour, ich dagegen hier, allein. Kontraste. Darum geht es; um Kontraste und volle Tage, von denen man fast schon glaubt, sie würden niemals enden. Doch schließlich schlafe ich in meinem Schlafsack klopfenden Herzens ein, lasse auch den vollsten Tag als Gestern hinter mir.
Nur, die Stimme seiner Begleitung, die ich für einen Moment wahrnahm, ließ mich wundern, wie es wohl wäre, selbst jemandem zu haben, dem ich von alldem erzählen wollte – und dabei an uns, und ein füreinander glauben könnte. Eine Stimme in der Nacht, vielleicht. Die Liebe mag mir fern sein; ganz vergessen habe ich sie auch hier und nach den Jahren nicht. Würde ich jetzt wo anders sein wollen? Nein, niemals. Aber Zuhause einmal jemanden gehabt zu haben? Das vielleicht schon.
2023/05/07