Längst wird mir klar, dass Einsamkeit Leben, und Leben Einsamkeit ist. Wenn es je einen Unterschied gab, dann muss er heute dem Gestern gehören. Das Leben muss ich aufgeben, wenn ich nicht mehr einsam sein will.
An den Menschen vorbeisehen, besser nicht länger hinsehen, weil hinsehen nur ungemein weh tut. Sich so fremd, und fern zu fühlen. Lieber neben sie sehen; und damit von einem Leben, einer Welt, ohne Menschen träumen. Sich stattdessen zu fragen, was Menschen überhaupt sind. Spuren davon in sich selbst suchen. Sie stetig, Stück für Stück, unbeirrt an die Oberfläche zu befördern, aus dem Innersten herauszuschneiden. Ganz egal, ob damit auch manch anderes nach oben gelangen und damit auf Immer verschwinden könnte. Immer tiefer und tiefer danach zu suchen, nach jeder Spur von Gefühl, jeder Hoffnung und der Erinnerung daran. Niemals zu glauben, dass es, sollte man doch einmal empfinden, nur Phantomschmerz wäre, eine Erinnerung an etwas, das früher einmal gewesen war, als man noch Mensch war. Dass es nur eine vage Ahnung wäre, ganz weit hinten versteckt. Wie ein Funke, der brannte, vielleicht auch verbrannte. Ein wenig wie Träume. Vielmehr zu begreifen, trotz all der Mühe etwas übersehen zu haben. Nun nur nicht damit aufhören zu suchen, immer weiter vorzudringen. Doch je tiefer gegraben wird, desto mehr scheint darin gefunden zu werden, so als würde es niemals ein Ende finden. Und irgendwann wird bewusst, dass es wohl die Seele selbst ist, die einen in und auf dieser Welt so einsam, und verloren fühlen lässt. Sie ist es, nach der zu suchen ist; und sie ist es, die herauszuschneiden ist. Koste es, was es wolle. Insgeheim schon so lange gewusst; nur nicht einsehen hatte man es wollen. Doch unklar, vielleicht schlicht unmöglich, zu wissen, ob ohne Seele überhaupt zu leben ist. Es aber trotzdem zu versuchen, denn zumindest gilt es, daran zu glauben. Weil, welchen anderen Weg gäbe es schon? Ich glaube, wenn ich morgen nicht mehr aufwachen würde – ich wäre der glücklichste Mensch der Welt. Und wenn ich es doch wieder müsste, und ohne Seele bin, wäre vermutlich selbst das besser, als länger zu sein, zu fühlen, wie heute. Seelenlos will ich sein.
2022/06/12