Schlecht geschlafen habe ich heute Nacht, und seit Tagen ist mir auch schon übel. Nicht etwa, weil ich etwas Falsches gegessen hätte, nein, ich selbst bin das. Also was heißt ich selbst, eigentlich meine eigene Seele. Wieder einmal. Dumme Seele. Dumme Seele, die mich zu Boden drückt. Mich überrollt, wie ein Scheiß Zug. Dann sitze ich wortlos da, und in meinem Kopf will es einfach nicht aufhören. Eigentlich doch nicht wie ein Zug, bei einem Zug würde es das wenigstens. Glaube ich zumindest. Hatte die Chance, habe sie mal wieder nicht genutzt. Der Zug fuhr vorüber, also im Nieselregen benommen nach Hause gestolpert und am nächsten Morgen doch nur wieder im Gestern aufgewacht. Allein. Ist’s dann eigentlich überhaupt Morgen? Ist ja auch egal. Toll jedenfalls keine Zukunft zu haben. Stattdessen Stimmungen, die kommen um zu bleiben. Eigentlich kann man da nur eines machen: Abwarten. Abwarten, bis es besser wird. Irgendwann, irgendwo, irgendwie. Mit viel Glück eher früher als später. Kurz darauf, wenn dem Glück schon wieder die Puste ausgegangen ist bevor es überhaupt erst einmal so richtig in Fahrt kam, direkt hinein in die nächste. Auf und ab, aber eigentlich mehr ab als auf. Immer unter dem Horizont. Abgesoffen. Kein Wunder, dass man da irgendwann in der Leere hängt und von Früher träumt. Wenn man denn Träumen kann. Ist ja leider längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Früher war ja eh alles besser. Früher haben wir wenigstens alle Monate mal voneinander gehört. Uns vielleicht sogar gesehen, ein wenig schüchtern aber insgeheim doch voll Freude begrüßt. Wann habe ich denn das letzte Mal jemanden umarmt? Frühling vor drei Jahren? Larne. Carmen fest an mich gedrückt, ihren Kopf an meiner Brust, „Ich könnte für immer so sein“, in die Haare geflüstert und es auch genau so gemeint. Verdammt gut hat sich das angefühlt. Wie ein Versprechen. Längst vergessen geglaubt, mühsam aus mir herausgegraben. Wie ein Seelengräber auf der Suche nach Hoffnung. Und dann doch wieder nur verloren, und auch gar nicht mehr wiedergefunden. Wie auch, also hier. In dieser Welt, in der ich nichts bin. Stattdessen … ja, was stattdessen eigentlich? Nichts? Aber sicher, so spielt das Leben, sagen sie zumindest. Aber was wissen sie schon. Sie, die gehen als würde das ganze Leben nur so vor ihnen liegen. Und überhaupt, wie unbedeutend doch das Glück der Anderen. Drei Jahrzehnte. Eigentlich ohnehin genug für eine einzelne Seele, oder? Mir ist übel. Wenn ich wenigstens schreien könnte. Aber so laut, so laut kann man eh nicht schreien. Niemand kann das.
Ruhe in Frieden, Sehnsucht.
Ruhe in Frieden, Gedanken, Gefühle und Erinnerungen.
Ruhe in Frieden, mein Leben.
2021/02/26