Als ich Deine Worte las, habe ich mich verliebt. Es war früh am Abend, die Dämmerung hielt gerade erst Einzug, es dampfte nach einem heftigen Sommergewitter über den Dächern. Ich wollte nicht bleiben, in dieser Enge aus Raum und Worten, und bin auf die Straße hinaus, in die endlose Stadt hinein. Dort habe ich jemanden kennengelernt. Das Hemd klebte ihm nass auf der Haut, den Blick hielt er gespannt in die Ferne; und mir war, als könne er es gar nicht erwarten, dass uns ein weiteres Gewitter heimsuchen würde, gleich wie schwer und verheerend es auch sein würde. Später in der Nacht hatte er mich berührt, wie Deine Worte meine Gedanken. Ich hatte ihm davon erzählt; und er sagte, das Leben sei nicht nur aus Worten.
Manchmal male ich mir aus, dass Du hin und wieder hier bei mir vorbeisiehst, in ruhigen, vielleicht nachdenklichen Minuten die eine oder andere Zeile liest. Vielleicht ist es Auszeichnung genug, wenn Du Dich in einem Gedanken wiedererkennen oder die Worte Dich gar zu etwas anregen könnten. Manchmal aber reicht mir Deine stumme Existenz nicht weit genug; und ich wünschte fast, Du würdest einmal von Dir hören lassen. Doch wenn, müsste ich mich wohl fragen, wieso wir so lange nicht zueinander fanden – oder es trotz unseres Kennenlernens nie würden. Du bleibst, ein stummer Leser, Freund meiner Gedanken.
2023/05/09