Wunderkerzen, Feuerwerk vor dunklem Nachthimmel. Wir beide, nebeneinander auf dem Boden kniend, unsere Hintern in der Luft, das letzte Streichholz, das uns noch bleibt, Wind, und unsere Hände, die schützen. Wir rennen, drehen uns um, stehen Seite an Seite, während es für Sekunden farbenfroh vor Dunkelheit leuchtet.
Wenn wir Kind sind, wissen wir nicht, dass wir einsam sind. Ich spazierte nachts alleine am Wald entlang, saß im Dunkeln auf den Parkbänken der Spielplätze, lief bei Kälte durch den Schnee, legte mich mit Musik in den Ohren auf den Boden, nur um jede einzelne Schneeflocke auf meiner Haut zu spüren. Sah Sternschnuppen am Himmel, die grün leuchteten wie Raketen. Manchmal da wollte ich gar nicht mehr aufstehen, wenn ich so alleine auf dem Eis lag und mir die Kälte langsam in den Körper zog.
Ich erinnere mich, dass ich an manchen Abenden, wenn ich spätnachts durch die Straßen streifte, all meinen Mut zusammennahm, die drei Stufen zu Deiner Haustüre hinaufstieg, lange zögerte und schließlich doch klingelte. Immer öffnete Deine Mutter. Ich sah unter meiner Wintermütze hervor und fragte, ob Du vielleicht zu mir nach draußen kommen würdest. Dann hast Du am Türrahmen angelehnt dagestanden und durchs Treppenhaus zu mir hinuntergesehen. Ich erinnere mich nicht mehr an Deinen Blick, weiß nicht, ob Du nur aus Mitleid, oder doch Freundschaft zu mir nach draußen kamst. Wir streiften gemeinsam durch die verlassenen Häuserschluchten, unterhielten uns und lachten über die Schule, unsere Mitschüler. Fußspuren im Schnee, Pulverschnee im Mondlicht. Aber in der Schule, da sprachen wir nie miteinander, so als könntest Du mich eigentlich gar nicht leiden. Ich erinnere mich an einen Deiner Geburtstage, fast die ganze Klasse war bei Dir zu Gast. Wie ich an diesem lauen Sommerabend verloren mit dem Rad zwischen den Häusern hindurchraste, es lichterloh in mir brannte, nach allen Richtungen schrie.
Manchmal träume ich von Dir. Nicht hier, sondern dann, wenn ich tausende von Kilometern entfernt bin und in meinem Auto noch für einen Moment wachliege. Wenn ich Abend um Abend allein an meiner Seite einschlafe. Mal Stille, mal Regen, mal Mond und Sterne oder vereinzeltes Laternenlicht um mich herum. Dann schaust Du vorbei, manchmal zumindest. Und das ist schön, ehrlich.
Heute, unzählige Jahre später, merke ich, dass sich eigentlich gar nichts wirklich geändert hat. Ich stapfe noch immer verloren durch Straßen, sehe im Dunkeln zu hellen Fenstern hinauf, frage mich, wer wohl dahinter leben mag. Aber ich frage nicht mehr, ob da jemand zu mir nach draußen in meine Welt kommen mag. Nur die Erinnerungen sind es, die ab und an bei mir anklopfen, kommen und gehen wie die Menschen in einem Leben. Sicher, ich habe die Welt gesehen, habe mich selbst erlebt und ein wenig erzählt, aber bin ich nicht eigentlich noch immer der Junge, der nachts alleine auf Parkbänken sitzt und ein wenig ratlos den Eulen lauscht? Ich fürchte, das Gefühl, dass ich mit jedem meiner Klingeln um Hilfe bitten würde, so als wäre ich mit dem Auto liegen geblieben, müsste einen Anruf tätigen oder gar um ein wenig Geld bitten, bin ich auch nach Dir nie losgeworden, dabei hätte ich mir doch nichts weiter gewünscht, als dass wir einander mögen und ein wenig Zeit miteinander verbringen könnten.
Ich habe mir immer gewünscht, dass Du einmal bei mir anklopfen würdest.
2019/02/15