Wie weit reicht Heimat eigentlich? Von jenem Ort, an dem ich mich einst zuhause glaubte, bis hin zur Kreisgrenze? Oder doch bis dorthin, wohin mich meine Kindheit zu tragen vermochte? Zumindest jener Teil meiner Kindheit, an den ich mich heute noch zu erinnern weiß. Und was ist mit all dem, das zwar in mir verborgen ist aber von dem ich nichts mehr weiß? Weil ich es vergessen musste, oder wollte. Vielleicht aber nehme ich sie auch mit, die Heimat. Jetzt, wo Du bei mir bist und wir keine Grenzen mehr kennen, wird doch die Welt in unserem Inneren mit jedem Tag ein wenig größer.
Von einem Dichter habe ich einmal gelesen, Heimat sei für ihn dort, wo ein Mensch begraben werden möchte. Schöne Worte, fand ich, doch konnte ich mir nichts weiter darunter vorstellen. Ich meine, was ist Heimat, wenn nicht ein Gefühl in meinem Inneren? Eine vage Erinnerung an ein bestimmtes Früher, das nun, gleich wie viele Jahre auch vergangen sein mögen, noch immer Sehnsucht in mir auslöst. Eine Gesamtheit all dessen, was wir bei uns tragen; und ebenso alldem, von dem wir einmal dachten, dass wir es würden. Die Summe aus Vergangenheit, Gegenwart und einem stillen Versprechen an die Zukunft. Doch gleich, wie weit ich auch reiste und wie viel Verschiedenes ich gesehen haben mag,- eine Heimat hatte ich nie darin gefunden. Weder eine andere, noch meine eigene. Was also ist Heimat, wenn nicht wir selbst? Und vielleicht, vielleicht sind wir ohne einen anderen Menschen an unserer Seite ohnehin nie an einem Ort zuhause. Nie. Irgendwo.
2020/10/19