Und ich fuhr fuhr fuhr, fuhr immerzu einem Lastwagen hintendrein, der mich an sich hielt wie eine Mutter ihr Kind, nicht zwischen den hohen Regalen der Einkaufsmärkte, der Straßenschluchten und Gebäudefassaden, sondern den Leitplanken, Wegweisern und Bäumen links und rechts, die unentwegt und furchtlos ihre Arme nach mir ausstreckten, nicht anders den Kindesentführern, die, so erzählte man sich früher, überall auf der Lauer gelegen und nur die erstbeste Gelegenheit abgepasst hätten, um noch ein jedes verirrte Kind ins Unglück zu stürzen. An ihm blieb ich dran, gleich ob für Minuten oder Stunden, gleich ob ich wollte oder nicht, so als gälte es, dachte dabei verloren an Marie und wusste, wusste nur zu genau, dass ich es bis in die Morgendämmerung schaffen müsste, denn wäre die erstmal da, wäre der Rest vielleicht kein Kinderspiel, doch zumindest im Bereich des Möglichen. Ich sang, ich schrie, ich sprach, um den nach mir rufenden Schlaf von mir fern zu halten, trommelte im Takt der Musik, verlor mich dazwischen hin und wieder schweigend für unbestimmte Zeit im monotonen Surren der Reifen, verdrückte vielleicht sogar ein paar Tränen beim Gedanken an das, was niemals war, sah schließlich einen Hauch von Farben am Dunkel des Himmels, etwas Nebel auf den Wiesen, gab Gas, ließ meinen Freund zurück als wenn es nun endgültig an der Zeit wäre, alleine ins Leben aufzubrechen, eigene Erfahrungen zu machen und fuhr mit einem vagen Lächeln auf den Lippen, einer Spur Melancholie in den müden Augen dorthin, wo genau genommen gar nichts auf mich wartete. In den Rückspiegel blickte ich, sah ihn darin hinter einer Kurve verschwinden, murmelte zum Dank, mich unserer Zeit erinnernd, wohl wissend, dass wir teilten, was sonst keiner teilt, wohl wissend, dass unser Schweigen mehr sagte als es tausende Worte, gleich welcher Sprache, könnten. Dann sah ich dorthin, was von denen, die noch nie etwas verstanden haben, gemeinhin als Morgen angesehen wird. Dies war unsere letzte gemeinsame Fahrt. Ich war tot, Marie war tot, die ganze Welt war tot, doch lebten wir, wie Tote nun einmal leben – als ein Gedanke des Herrn Dämmerung, Gott der Rastlosen und Reisenden. So beginnt und so endet es – zwischen allem, murmelte ich, siegesgewiss und zum Trotze meines Verlusts.
2024/02/25