Hin und her werfen sie mich, die Stimmungen und Gefühle. Längst scheinen sie mir wie Strömungen auf offener See zu sein, die mich heimsuchen, ohne dass ich ihnen etwas entgegenzusetzen hätte. Nur woher genau sie kommen, und wohin sie gehen, weiß ich nicht. Nur warten kann ich. Warten, bis es mich wieder ausspuckt, das Meer, und an Land spült wie Unrat. Doch bis dahin bleibt mir nichts als die Frage, wie ich hierhergekommen bin, alleine, weit und breit kein Land mehr in Sicht, nichts als Wasser um mich herum.
In lichten Momenten, aus der Distanz heraus, so fern, wie man sich selbst eben sein kann, muss ich mir eingestehen, dass das Meer um mich herum ebenso ein Teil von mir ist, wie ich selbst. Eigentlich ist es nicht einmal nur ein Teil – ich bin das alles. Das eine, wie das andere. Nur dass ich schon längst keine Grenze mehr zu ziehen vermag. Als Mensch, und Seele, entzieht es sich meiner Wahrnehmung ebenso wie meinem Vorstellungsvermögen. Wie sollte ich auch beides zugleich sein können? Ich, der ich hier sitze und dabei hinaus- aber damit ebenso in mich hineinsehe? Hinein in das Meer, ein Seelenmeer, das mir vertraut und doch gleichermaßen fremd wie undurchdringlich scheint. Was für eine Form, und Welt, soll das auch sein? Viel lieber will ich mir weiter einreden, dass es Stürme wären, die meinen Himmel verdunkeln und mich mal hier- und mal dorthin tragen. Nur insgeheim steht längst fest, dass ich selbst es bin, der mich unglücklich macht. Ich bin es auch, der diesen Teil von mir als etwas Äußeres wahrnehmen will, fern meiner eigenen Verantwortung. Ich treibe im Kreis, immer weiter und weiter, und kann kein Inneres finden. Ich strecke meine Hände aus, doch berühren kann ich weder einen anderen, noch mich selbst. Nicht einmal selbst sehen kann ich mich, in all dem Wasser. Doch eigentlich, irgendwo ganz da hinten, fern am Horizont, müsste es auch wieder zu mir selbst werden. Vielleicht müsste ich nicht aus mir hinaus-, sondern in mich hineinsehen. Hinein ins Auge des Sturms. Damit ich die Distanz, die ich spüre, endlich hinter mir lassen könnte. Unendliche Distanz, einzig und allein von und zu mir selbst.
Auf Spurensuche will ich gehen. Schließlich muss man doch zu allem vordringen, zu allem finden können. Wenn man nur gut genug sucht. Immer weiter hinein, bis zu den Ursachen, nicht den Symptomen. Ganz nach unten, hinab auf den Grund, bis ich gar nicht anders kann als der Wahrheit zu begegnen. Vielleicht muss ich sie ausgraben, meine Seele. Sie herausschneiden, und schonungslos freilegen. Auf dass, wenn schon nicht von innen, wenigstens von außen ein wenig Licht auf sie fallen würde. Damit der Schatten endlich von ihr weichen würde. Dieser Schatten, dieses Gefühl, das in Wahrheit ich selbst bin. Und wenn sie dann vor mir liegen würde, meine Seele, dann wäre ich auch selbst nicht mehr. Denn ohne Einsamkeit, was bliebe da schon von mir.
Ich setze Segel. Auf der Suche nach dem Ende des Meeres in mir.
2021/08/05