Weit oben, allein, weder nah noch fern ein anderer zu sehen, weicht die Nacht zögerlich dem zaghaft-ersten Taglicht. Zu hören sind die seltsamen Laute in der Landschaft verstreuter Hirsche, und der Wind, der über all das hinweg streicht, mal in der Ferne über Höhenzüge rauscht, dann wieder ganz nah zwischen den Felsen laut aufheult. Schneeweiß ist es um mich herum, der erste Schnee fiel in der Nacht; und die Luft liegt mir klar und kalt auf der Haut. Ich atme sie ein, ziehe mir die Mütze tief bis über die Stirn und warte, etwas frierend, den Sonnenaufgang ab, bevor ich fast schon beschwingt wieder hinabwandere. Dort warten: ein Regenbogen, ein Dach über dem Kopf und ein heißer Kaffee gegen die Nachtkälte, die mir noch immer tief in den Knochen sitzt und mich wahrscheinlich noch eine ganze Weile begleiten wird.
Das Herbstwetter spottet längst jeder Beschreibung. Nur so viel sei gesagt: es mutet zuweilen schlimmer an, als all die vorangegangenen Reisen,- trotz dessen, dass da so einige darunter getrost Ansprüche erheben könnten. Nur vereinzelt bereue ich meine Schritte nicht, wünschte, fortgesetzten Enttäuschungen wegen, ich wäre keinen einzigen gegangen, wiegen doch die Rückschläge oft schwerer als das ansonsten Unversuchte. Heimzukehren ist trotzdem keine Option; denn mir graut vor diesem Zuhause. Doch wenn etwas geschieht, ist es besonders; gleich dessen, dass ich auch gestern in üblen Sturmböen und erstem Schnee fror, bis ich zitterte. An guten Tagen also, wenn im Wolkenwerk immerhin rege Bewegung ist, es nicht trist und öde wie für immer am Himmel festgeklebt scheint, reihen sich unentwegt Schauer an Sonnenschein. Ob sich im entscheidenden Moment, also zu Sonnenauf- und Sonnenuntergang, Lücken darin ergeben und nicht gerade Sturmböen jedes Fotografieren zunichte machen, lässt sich weder planen, noch erhoffen. Gläubig bin ich wohl nicht, doch zuweilen geistern mir dann die Worte „Der Herr nimmt, der Herr gibt“ durch den Kopf; alternativ bliebe als Erklärung, dass es nun einmal einzig „in den Sternen stehe. Die Zeit zwischen Versagen und Gelingen kann ich nur selten als notwendig, als eine Art unabkömmliche Hinleitung verstehen; viel zu sehr setzt mir meine zwischenzeitliche Gewöhnlichkeit, das erzwungene Warten zu. Doch, wahrscheinlich muss das alles so sein, bliebe doch ohne Schatten auch kein Licht. Und die Fotografie? Sehen, was sonst keiner sieht; sein, wo sonst gerade niemand anderes ist. Bestenfalls also zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mehr ist sie nicht. Und eben das Glück. Das Glück, das, leider, selbst mit den Tüchtigen viel zu selten ist, doch immerhin manchmal; und das muss genügen (und für den Moment, glaube ich, tut es das auch).
2024/10/10