Das ist er nun also, der fünfte Sommer in Folge, den ich alleine verlebe. Schön ist es in letzter Zeit. Nicht das Leben selbst, alleine wie ich bin, aber doch das Wetter. Der viele Regen zu Beginn des Monats, und noch immer ist es nicht zu warm, und vor allem die Sommerabende ungemein angenehm. Ich gehe wieder regelmäßig Laufen, früh am Morgen, und fahre oft mit dem Rad eine meiner Touren. Am Abend lese ich, Rilke zurzeit, unten am Fluss, unweit des Parks. Die Menschen lasse ich rasch hinter mir, suche mir viel lieber ein etwas ruhigeres Plätzchen. Ein wenig hat sich das gewandelt mit den Jahren. Manche der Orte, an denen ich früher noch so viel Zeit verbracht habe, kann und mag ich heute nicht mehr aufsuchen. Sie fühlen sich nicht länger richtig an. Zu lange schon war ich dort einsam gewesen. So einsam, dass ich es auch heute noch zu spüren glaube und es den Orten, oder wenigstens mir, noch immer anzuhaften scheint. Die meisten Menschen sind gemeinsam unterwegs, Einzelne sieht man selten. Und wenn, so scheinen sie nur für den Moment alleine zu sein. Zuhause stets einer, der bereits auf sie wartet. Manchmal gehe ich auch mit Musik durch sie hindurch. Dann wird all das Äußere plötzlich distanziert, und nicht länger wichtig. Dann kann ich vereinzelt sogar mein Allein-sein darin genießen, zumindest für diesen Moment. Ich bin erstaunt, ein ums andere Mal, dass selbst die schönsten Plätze hier doch so oft ganz, oder zumindest teilweise verlassen vor mir liegen und ich dort in Ruhe in einen der Sonnenuntergänge sehen kann. Selbst wenn ich an meinem angestammten Platz mitten auf der Brücke über dem Fluss stehe, der Wind um mich streift, bleiben nur vereinzelt andere Menschen stehen, um selbst einen kurzen Blick auf das Wasser, und die Stadt zu werfen. Ich bin, wenn man so will, unter Menschen allein. Die Sommernächte, die eigentlich ebenso wunderschön sind, lasse ich meist aus. Ich würde die Einsamkeit unter den anderen nicht so recht ertragen. Ich will mir die Nächte für den Winter aufheben. Dann, wenn wieder alles verlassen vor mir liegt. So als würde die ganze Stadt nur mir gehören. Und vielleicht, vielleicht tat sie das ja auch manchmal.
Eigentlich hätte es, wie auch in den vorangegangenen Jahren, die perfekte Zeit eines Lebens werden können. Das Wetter ist wunderschön, ich hatte Zeit, und etwas Geld. Nicht viel, aber es reichte um zu leben. Spartanisch zwar, aber das ist in Ordnung und macht mir nichts aus. Ich muss sagen, vor allem jeden Sommer kommt es mir so vor, als sei ich immer einsam gewesen im Leben.
2021/07/18